nicolameitzner
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street view Barcelona 2014


Je mehr Bilder existieren, umso schwieriger wird es, Welt und Wirklichkeit zu sehen. Was paradox klingt, ist einer perfiden visuellen Logik geschuldet. Die Wirklichkeit ist zu einem Bild geworden, das wir beständig produzieren und zum Ausgangspunkt unserer Erfahrung machen. Bilder verstellen, durchdringen und ersetzen reale Erfahrungen bzw. verleihen ihnen eine neue Qualität. Google Street View zeigt Ansichten, die sich aus einer beharrlichen und unterschiedslosen Aufzeichnung von Topografien speisen. Diese Bildwelten sind weder Kartographie noch Fotografie. Der präzise und reduzierte Abstraktionsgrad einer Karte verliert sich im Übermaß der visuellen Information, genauso wie sich die ästhetische und technische Differenzierung der Wirklichkeit durch die Fotografie im digitalen Nullsummenspiel einer endlosen Einzelbildschaltung auflöst.

In ihrer aktuellen Arbeit "street view" (2014) fokussiert Nicola Meitzner einzelne Orte in Barcelona und zeigt sie in zwei verschiedenen Fassungen: als Internet basierte Google Street View Aufnahme und als selbst fotografiertes Bild. Die Bilder sind nur mittelbar miteinander verbunden, denn Zeitpunkt und Standpunkt der jeweiligen Aufnahmen sind verschieden. Teilweise lassen sich spezifische Details wie Fassaden, Eingangsbereiche, Baumbestand oder Strassenzüge identifizieren. Der visuelle Abgleich ist jedoch nicht mehr als ein formaler Akt, der deutlich macht, wie wenig die Betrachter von den Orten und der Stadt wissen. Denn die Fragmente ergeben auch in der Rückführung auf den jeweiligen urbanen Ausgangspunkt keine Erzählung und bieten wenig Aufschluss über die gezeigten Architekturen oder die urbane Struktur, die Stadt und ihre Identität. Dies gilt für beide Bildwelten: für die durch die Google-Kamera gescannte Topografie und die vor Ort von Meitzner fotografierten Bilder. Es ist nicht der Informationsgehalt der die Bildwelten voneinander trennt, sondern die Motivation und die konkrete Umsetzung der jeweiligen Verfahren.

Im Gegensatz zum unterschiedslosen Bilderpool des Google Street View Programms basieren Meitzners Bilder auf einer ästhetischen Reflexion und auf formalen Entscheidungsprozessen, auf einer dezidierten Überlegung zur Präsentation und auf einer spezifischen Materialität, die in der Ausstellung und im Buch sichtbar wird. Der Unterschied mag graduell sein, ist aber von existenzieller Bedeutung: Sehen und Erfahren, Abbilden und Ausstellen, Benennen und Interpretieren unterscheiden in diesem Sinn auch realen Raum und virtuelle Sphäre. Google Street View und Streetphotography sind in dieser Lesart keine identischen Verfahrensweisen. Nicola Meitzners aktuelle Arbeit ist zwischen diesen beiden medialen Polen angesiedelt. Der Begriff einer wie auch immer gearteten fotografischen Authentizität wird von der Fotografin zwar als sentimentale Vorstellung konterkariert, an der Notwendigkeit einer ausformulierten fotografischen Position ändert das aber nichts. Auch wenn die Orte beliebig und immer anders als erwartet sind.
                                                                                                    Maik Schlüter

40 Motive
Inkjetdrucke in Color und B/W
24 x 32 cm / 39 x 58 cm

Künstlerbuch 19 x 25 cm, 72 Seiten
Auflage: 10 + 2 A.P.
Preis auf Anfrage